On the Road, Bericht 3

Es dauert ãnurÒ 4 Stunden, dann sind alle FormalitŠten erledigt, unsere Karawane von 7 Autos kann den Hafen von Buenos Aires verlassen. Die erste Nacht verbringen wir auf einem bewachten, aber lauten Parkplatz, fahren mit Taxis in ein Restaurant. Nach den kulinarischen TiefgenŸssen an Bord genie§en wir das hervorragende argentinische Fleisch und trinken guten hiesigen Rotwein. Die anschlie§ende ãNachtruheÒ ist geprŠgt von den dršhnenden Generatoren der neben uns liegenden SchnellfŠhre und dem VerkehrslŠrm der angrenzenden Hauptstra§e. Deshalb ziehen wir am nŠchsten Tag um in eine ruhige Stra§e zwischen Sportplatz und Park im edlen Viertel Puerto Madero. Aber vor dem ersten Stadtbummel muss noch Roberts Abszess  medizinisch versorgt werden. Tisch mit Tupfer, Spritzen, Skalpell und was man sonst noch fŸr eine OP braucht, wird neben der Parkmauer aufgebaut. Martin, unser AnŠsthesist, setzt die Spritze, Ulli, der Unfallchirurg, schneidet. Ein Verband von Hermann, unserem Krankenpfleger, noch ein Tag Ruhe, Visite, Verbandwechsel und dann ist der Patient wieder reisefŠhig.

Beim ersten Bummel durch die Innenstadt gucken wir bei 26¡C und blŸhenden BŠumen irritiert auf Plastik-WeihnachtsbŠume und rote Girlanden. Naht wirklich schon Weihnachten? Buenos Aires ist eine wuselige Metropole, Ÿberall quirlen Menschen und Autos geschŠftig durcheinander. Alle scheinen in Eile zu sein. Selbst wochentags ist in der Fu§gŠngerzone so viel los, wie in Berlin an einem Sonnabend vor Weihnachten auf dem Ku-Damm. Kein Wunder, denn ein Drittel aller Einwohner von Argentinien lebt in der 15 Millionen Metropole. Die Stadt hat viele Gesichter, im Viertel Ricoletta stehen Prachtbauten und Stadtvillen vergangener Zeiten, und San Telmo und La Bocca sind hippe Touristenviertel. Wir finden die Stadt toll, aber sie ist auch anstrengend und laut. Aber: Wir kommen wieder.

Die Franzosen Michelle und Robert und die Schweizer Brigitte und Lukas sind schon nach zwei Tagen weiter gefahren, und auch uns lockt jetzt die Stille. So zieht unsere verkleinerte Karawane am 22. November Richtung SŸden. Mehr als eine Stunde brauchen wir im Konvoi mit den vier Wohnmobilen,  ehe wir den Ausgang gefunden haben. 

Die Fahrt fŸhrt uns durch všllig flaches Land, die Stra§e ist schmal, und wir schaffen nur noch 100 Kilometer bis zur Lagune  ãBahia de Los LobosÒ mit schšn gelegenem Campingplatz, doch leider ohne Trinkwasser. Zwei Ruhetage im warmen Sonnenschein und dann weiter auf der berŸhmten Routa 3 bis zum StŠdtchen Azul. 

Wo wir auftauchen, erregt unsere Karawane erhebliches Aufsehen. ãNehmt Ihr an der Rallye Dakar teil?Ò, ist eine hŠufige Frage. In Azul ist ein Gro§einkauf fŠllig, dann wird es Zeit fŸr eine Nachtplatzsuche. Mit unseren kŸmmerlichen Brocken Spanisch fragen wir ein PŠrchen am Zaun ihres GrundstŸcks nach einem Campingplatz Zu unserer Freude fragt uns die Frau, ob wir Englisch sprechen. Das ist ein GlŸcksfall, denn Leute mit Englischkenntnissen trifft man eher selten. Nach ein bisschen Reden Ÿber das Woher und Wohin bietet sie uns an, auf dem Rasen in ihrem Garten zu bleiben. Wir sind von dem Angebot ebenso begeistert wie die 15 Hunde, die uns stŸrmisch begrŸ§en. Aber sie sind ebenso freundlich wie unsere Gastgeber Elizabeth und Pedro, die uns gleich zum Asado einladen wollen. Das wŠre wirklich zu viel der Gastfreundschaft. Wir bitten sie nach unserem Essen ein Glas Wein mit uns zu trinken und plaudern noch bis in die Nacht miteinander. Elizabeth ist gebŸrtige Irin, Pedro Argentinier, ehemaliger Gaucho. Leider spricht er nicht Englisch, aber sie Ÿbersetzt. Wir wollen vieles wissen, u.a. fragen wir, ob es Ÿberhaupt noch richtige Gauchos gibt. ãNatŸrlichÒ, sagt Elizabeth, ãund wenn ihr sie sehen wollt, mŸsst ihr zu einer Fiesta Criolla gehen, einem Gauchofest.Ò ZufŠllig ist Ÿbermorgen, am Sonntag, eines in Chillar, einer Stadt, die direkt an unserer Route liegt. Aber bevor wir weiter fahren, zeigen uns die Beiden am nŠchsten Tag noch  ein Restaurant in der Pampa. FrŸher gab es eine Eisenbahnlinie von SŸd nach Nord durch das gesamte Land. Aber das ist lange her. Die alten Bahnhšfe fallen inzwischen zusammen, die Orte daneben sind verlassen. Neben einem dieser Bahnhšfe gab es einen KrŠmerladen. Die alte Schrift steht noch an dem sichtlich mitgenommenen GebŠude, aber heute ist dort ein Restaurant. Und was fŸr eins – gegessen wird, was auf den Tisch kommt. Wir hatten nicht vorbestellt, macht nichts, es wird noch ein Tisch im Hof unter die Veranda gestellt. Die argentinische KŸche ist nicht so gut wie die argentinischen Weine, es gibt Ÿberwiegend Fleisch vom Grill. Auch hier ist das Essen rustikal, doch sehr schmackhaft, und das Ambiente ist zauberhaft. Die Jungs der Familie lernen gerade auf Blasinstrumenten zu spielen, und so blasen die vier Buben los, was das Zeug hŠlt, und wir kšnnen sogar die Melodien erkennen. Alle sind fršhlich und herzlich, und als wir gezahlt haben, bekommen wir pro Wohnmobil noch einen 5Liter Kanister mit Quellwasser aus der Umgebung geschenkt.

Abends stehen Uschi und ich mit Elizabeth in der KŸche. Sie macht Empanadas (argentinische Teigtaschen) fŸr uns alle, und wir lernen wieÕs geht. Am nŠchsten Morgen nehmen wir schweren Herzens Abschied von den Beiden und machen uns auf zum Gauchofest.

Es ist kein Fest fŸr Touristen, die Zuschauer kommen mit ihren Autos aus den umliegenden Orten, parken an den abgesteckten FlŠchen und sitzen neben ihren Autos. Erste Reiter rasen im Galopp vorbei, sie machen sich und die Pferde warm fŸr einen unglaublichen Wettbewerb. Es gilt im vollen Galopp mit einer Lanze durch ein winziges Loch ein rundes HolzstŸck aufzuspie§en, das von einer Querlatte herunter hŠngt. Die Reiter stehen in den SteigbŸgeln, die fast bis zum Sattel hochgezogen sind. Zwei bis vier Reiter galoppieren gleichzeitig los, es gibt mehrere DurchgŠnge, der mit den meisten Treffern gewinnt.

Neben einem HŠuschen ist alles fŸrs Asado vorbereitet. In der Mitte brennt ein Holzfeuer, auf Gestellen drum herum sind WŸrste und ganze LŠmmer aufgestellt. Es ist 11 h, um 14 h soll das Essen fertig sein. Wir werden eingeladen zu fotografieren, werden aber auch fotografiert, denn was der Wettbewerb fŸr uns, sind wir mit unseren Autos fŸr die anwesenden Argentinier. Als die LŠmmer gar sind, werden sie von einigen Gauchos in Windeseile mit den Messern, die sie alle in ihren GŸrteln tragen, zerlegt.  Alle Gauchos sitzen hinter der HŸtte im Kreis, und wir werden als einzige Zuschauer dazu gebeten. Gro§e Bleche mit den LammstŸcken werden herum gereicht, jeder nimmt sich ein StŸck und packt es in ein aufgeschnittenes StŸck Wei§brot. Ich habe noch nie so kšstliches Lamm gegessen!

Danach der Versuch einer Konversation. Hermann hat zum GlŸck ein Album mit Fotos von seinem Wohnmobil im tiefen Schnee dabei, und auch Fotos von seiner Familie. Die ist hier enorm wichtig, die Bilder sto§en auf gro§es Interesse. Schlie§lich Ÿberreicht uns der WortfŸhrer eine Fahne. Wir werden in den šrtlichen Club aufgenommen. Viele, viele gegenseitige Fotos und unser Versprechen, im MŠrz zum ganz gro§en Fest wiederzukommen, besiegeln das einmalige Erlebnis.

Weiter gehtÕs auf der Routa 3 immer geradeaus, kommt mal eine leichte Kurve, steht ein Warnschild. Bei der geringsten Erhebung wird vor dem ãgefŠhrlichenÒ Anstieg bzw. GefŠlle gewarnt. Wenige Meter neben der Stra§e auf beiden Seiten ZŠune, ZŠune. Die Gro§grundbesitzer, die bis zu 300.000 ha ihr eigen nennen (in Patagonien sind sie noch grš§er), zŠunen ihren Grund komplett ein. Da eine Estancia an die andere grenzt, scheint das ganze Land eingezŠunt zu sein.  BŠume gibt es hier nicht mehr, der Boden ist bedeckt mit Pflanzen, die an die sŸdeuropŠische Macchia erinnern. Es dominiert  Getreideanbau oder Monsanto Soja, aber auch Rinder grasen weit verstreut in der Pampa.

Bei der Weiterfahrt sehen wir unser erstes GŸrteltier, es rennt Ÿber die Stra§e und Per kann gerade noch ausweichen. Leider sehen wir auch unseren ersten Nandu gerade noch wegrennen.

Die Argentinier haben mitten in ihrem Land Lebensmittelkontrollen, d.h. man darf von Nord nach SŸd kein Fleisch und keine FrŸchte mitnehmen. Damit soll verhindert werden, dass bestimmte Pflanzen- oder Tierkrankheiten eingeschleppt werden. Die Kontrollstellen neben der Stra§e sind natŸrlich bekannt, und man sollte vorher keinen Gro§einkauf gemacht haben.  Die sehr freundlichen Kontrolleure werfen einen Blick in unseren KŸhlschrank und auch in einige unserer SchrŠnke und konfiszieren ein StŸck Salami. Danach kšnnen wir in der Stadt Viedma die KŸhlschrŠnke auffŸllen, bevor wir zum nŠchsten Highlight kommen. 

Wir haben die Routa 3 verlassen und fahren weiter auf der Routa 1, einer unbefestigten Stra§e, die dicht am Atlantik verlŠuft. In El Condor, an der MŸndung des Rio Negro, nisten in der SteilkŸste am Meer Papageien. Es soll die grš§te Papageienkolonie der Welt sein, auf einer LŠnge von 13 Kilometern finden sich ca. 35.000 Nester. Ihre Nisthšhlen sind 1 ½ bis 3 ½ m tief, sie leben in Einehe und sind in jedem Jahr von September bis Januar hier um zu brŸten und ihre Jungen gro§zuziehen. HŸbsch sehen sie aus mit ihrem grŸnen Gefieder und dem gelben und roten Bauch. Aber da die Tierchen nicht mit melodischen Stimmchen gesegnet sind, erfŸllt ihr Kreischen stŠndig die Luft. Mit Sonnenaufgang geht es los (das ist jetzt so gegen 6 h), vor Sonnenuntergang, gegen 19.30 h, ist kein Platz mehr auf den DrŠhten der Strommasten frei, da halten sie ihren Abendschwatz. Immer wieder bewundern wir ihre FlugkŸnste, laufen bei Ebbe an der KŸste entlang um sie traulich zu zweit vor ihren Bruthšhlen zu sehen und kšnnen uns kaum losrei§en. Aber nach zwei Tagen und Hunderten von Papageienfotos gehtÕs dann doch weiter. Wir folgen der staubigen KŸstenstra§e, die nur ab und zu eine Aussicht auf das Meer bietet. Am Abend entdecken wir bei Caleta de Los Lobos einen Platz an einer flachen Bucht. Es ist Ebbe, Flamingos staksen durchÔs flache Wasser, die Sonne versinkt als glŸhender Ball. Nur der  patagonische Wind stšrt die perfekte Idylle. Er ist so heftig, dass wir in den Autos essen mŸssen, damit nicht alles vom Sand paniert wird.

Der Wind ist Ÿber Nacht eingeschlafen, also  bleiben wir noch einen Tag an dem TraumplŠtzchen. Am zweiten Advent folgen wir wieder der Routa 3 nach SŸden. PŸnktlich um 15 h halten wir zum Adventskaffee. Ulli hat ein gro§es StŸck einer Art Seepocke am Strand gefunden, die wird mit GrŠsern und Blumen geschmŸckt, dazu eine Kerze und ein Wichtel – unser Adventsgesteck. Dresdner Stollen und Lebkuchen haben wir aus Berlin mitgebracht. Es weihnachtet sehr!